Auf die Frage, wie er seinen Beruf als Säger und die Passion als Holzbildhauer vereint, antwortet Luzi Scherrer: «Das geht nicht zusammen. Es ist zwar beides Handwerk, aber beim Sägen oder Bauen habe ich etwas Konkretes herzustellen. Meine Kunst sehe ich als Freiraum, da arbeite ich in der Regel nicht auf Auftrag, sondern freischaffend im eigentlichen Sinne des Wortes. Das braucht Zeit, Musse und Inspiration. Dafür nehme ich mir jährlich rund zwei Monate Zeit.» Wenn er eine Fichte zu Brettern sägt, gilt es im Sinne des Kunden, das Maximum aus dem Stamm herauszuholen. Da sind Vorstellungsvermögen und Konzentration gefragt, ganz besonders angesichts der einfachen Säge, mit der er im offenen Raum der Werkstätte in Trimmis arbeitet. Moderne Sägereien verfügen über einen Scanner, und diese bestimmen das optimale Vorgehen. Hier schmunzelt Luzi Scherrer: «Ich muss, oder besser gesagt darf bei meiner Arbeit noch selbst überlegen, das heisst, ich bin ganz im Hier und Jetzt. Da habe ich keine Kapazität für spirituelle Eingebungen oder Ideen für die Holzbildhauerei.»
Luzi Scherrer in Aktion. (Bild: Andrea Badrutt)
Anfang der 90er-Jahre interessierte sich der junge Forstwart kaum für Mondholz, obwohl das Thema in der Schule behandelt wurde. Nach einigen Anstellungen bei Unternehmern und ausgiebigen Reisen kehrte er zurück in die Heimat. Seine Aufenthalte in Alaska hatten ihn zum Blockbau mit Fichten inspiriert. Er begann, sich mit dem Thema Mondholz zu befassen: «Der Aspekt Mondholz ist sehr aufwendig, man muss sich wirklich einlassen wollen. Nur wer 100 % überzeugt ist, kann Mondholz entsprechend verkaufen.»
Im Alltag arbeitet Luzi Scherrer nicht nur mit Mondholz. Zurzeit (Januar 2024) sägt er Balken ein, welche für die in Chur entstehende Fachhochschule verwendet werden. Die Mengen, die dort benötigt werden, sind realistischerweise kaum als Mondholz beschaffbar. Die geschnittenen Balken lagert Luzi Scherrer bis im kommenden Herbst im Freien bei seiner Werkstatt, damit auch die Restfeuchtigkeit langsam abtrocknen kann. Der Föhn hilft da mit, das Resultat sind «lufttrockene Balken». Gegen Regen ist das Holz mit einem kleinen Dach geschützt, mehr brauche es nicht. Trocknen im Ofen erachtet er als sinnvoll, wenn das Holz «schreinertrocken» gebraucht wird, etwa für die Herstellung von Möbeln. Das lufttrockene Holz wird nochmals gemessen, bevor es abgeholt, je nach Verwendung in einem Ofen weiter getrocknet und schliesslich gehobelt wird. Dann ist das Holz bereit, verbaut zu werden.
Rundholzbau aus einheimischem Holz. (Bild: Luzi Scherrer)
Mondholz schafft Verbundenheit
Ein Teil des am Churer Grossprojekt verarbeiteten Holzes wird wohl Mondholz sein – ob bewusst zum richtigen Zeitpunkt geschlagen oder zufällig sei dahingestellt. Luzi Scherrer sieht einem Brett oder einem Balken an einem Bauwerk jedenfalls nicht an, ob es aus Mondholz besteht oder nicht. Was macht denn den Unterschied? Auf diese Frage hin kommt Luzi Scherrer ins Sinnieren: «Mondholz ist ein Teil eines grösseren Ganzen. Wenn ich einen Stamm während der Mondholzphase fälle, ist er quasi unbefleckt. Doch kann dem Stamm noch vieles widerfahren, bis sein Holz fertig verbaut ist. Da können etwa Holzfehler vorhanden sein, er kann Drehwuchs aufweisen oder nicht entrindet worden sein. Es sind verschiedene Faktoren mit im Spiel. Der Zeitpunkt des Fällens ist das eine, drei bis vier Tage vor dem Leermond sei ideal. Doch Achtung: Ich gebe nur weiter, was ich gelesen oder gehört habe.»
Gemütliches Ambiente. (Bild: Andrea Badrutt)
«Nach dem Fällen verdient der Stamm weiterhin maximale Zuwendung, indem man ihn zwei bis drei Monate im Winterwald liegen lässt, in abschüssigem Gelänge mit der Krone nach unten. Damit kann auch der letzte Saft noch durch die Äste austreten, der Baum macht quasi einen letzten Angstschub! Erst dann entastet man den Stamm und holt ihn aus dem Wald. Wenn eine mobile Entrindungsanlage zum Einsatz kommt, kann das Rindenmaterial vor Ort bleiben. In der Sägerei wird er im Idealfall eingeschnitten, bevor die Vegetation beginnt.»
Noch einmal kommt Luzi Scherrer auf die Zuneigung zurück, welche der Mondholzstamm geniesst. Er sei kein Esoteriker, aber trotzdem überzeugt: «Bäume wie Menschen bestehen zu einem grossen Teil aus Wasser und sind vom Kosmos beeinflusst. Ich bin sicher, dass Zuneigung das Fällen oder den Tod überdauert und als Energie dableibt, respektive sich einspeichert. Denken wir nur an ein gutes Möbelstück, welches über Generationen in der Familie weitergegeben wird. Niemand mag dieses weggeben, man hegt einen gewissen Respekt vor ihm. Genauso sehe ich das mit Mondholz, welches etwa in ein Haus verbaut werden soll. Es ist der Ursprung, und wir haben die Chance, hier eine positive Anfangsenergie einzubringen.» Für Luzi Scherrer ist es wichtig, einem Prozess wieder seinen Wert angedeihen zu lassen: «Das muss wieder gelehrt und gelernt werden! Da müssen wir alle daran arbeiten.» Die von ihm gefertigten Blockbauten sind etwa Maiensässe, manchmal Ferienhäuser, hin und wieder auch Einfamilienhäuser von Einheimischen. Eines haben alle Bauherrschaften gemeinsam: Die «Chemie» zwischen ihnen und Luzi Scherrer muss stimmen, Vorstellungen müssen übereinstimmen. Nur wenn die Wertschätzung fürs Echte und Charaktervolle im Holz und am Werk vorhanden ist, kommt es zur Zusammenarbeit. Wer bei Luzi Scherrer ein Blockhaus bestellt, kann auf Wunsch den ganzen Prozess miterleben. Also mit ihm im Wald die Stämme an ihrem Ursprungsort und später in der Weiterverarbeitung sehen. Das baue schon eine erste Verbundenheit auf, gegenüber dem Baum, gegenüber dem Blockbauer und überhaupt … die Geschichte beginnt also schon lange bevor das Holz verbaut wird.
Wie wohnt es sich denn im Blockhaus? Was braucht es für eine stimmige Isolation? Luzi Scherrer erklärt: «Der Wandaufbau wird ganz normal gestaltet, wobei die Fichtenstämme im Durchschnitt etwa 40 Zentimeter Durchmesser aufweisen. Dort, wo die Stämme aufeinandertreffen – also an der isolationstechnisch schwächsten Stelle – wird ein Hohlkörper mit gewaschener und kardierter Schafwolle isoliert. Früher wurde dazu meist Moos verwendet, die Schafwolle war ein wertvoller Rohstoff und wurde grösstenteils anderweitig benötigt. Heute sind Naturprodukte wie eben Schafwolle wieder im Aufwärtstrend, wohl im Zuge einer derzeitigen grünen «Welle».
Zurück zum Thema Mondholz, Respekt vor der Natur und Ehrlichkeit: Für Luzi Scherrer gehört zwingend dazu, dass Bauherren auch im Innenausbau da und dort Äste zulassen, ein paar Fugen tolerieren oder eine natürliche Verfärbung akzeptieren: «Holz muss so verwendet werden können, wie es eben ist: natürlich! Das macht es aus, und nur so wirkt man der weitverbreiteten Eintönigkeit entgegen!» Nebst dem Fälltermin sei für ihn auch der Umgang mit dem Holz bis zum fertigen Verbau wichtig. Da diese dank Mondholz aufgebaute Verbundenheit zum bestellten Bauwerk einen Mehrwert darstellt, hat sie auch einen Mehrpreis. Dieser ist zum grössten Teil im höheren Aufwand und im Abwarten des richtigen Zeitpunkts und somit in klar geringerer Effizienz begründet. Ob das fertiggestellte Bauwerk aus Mondholz dereinst länger besteht als aus «normalem» Holz, diese Frage kann oder will Luzi Scherrer nicht beantworten, dafür lebe er nicht lange genug. Schliesslich weiss man, dass ein Block- oder Strickbau aus einheimischem Holz 300 bis 400 Jahre lang hält. Er empfiehlt die Bücher des renommierten österreichischen Mondholzforschers Dr. Erwin Thoma, welcher auch auf eine Mondholz-Studie des ETH-Forschers Prof. Dr. Ernst Zürcher eingeht. www.rundholzer.ch
Kunst aus Holz
Luzi Scherrer ist viel gereist, so auch nach Hawaii, wo er vor über 20 Jahren für seine Kunst inspiriert wurde. Schon als junger Forstwart war er fasziniert davon, was sich mit der Kettensäge machen lässt. Und immer schon wollte er kreativ sein: «Kunstschaffen gibt mir eine Auszeit, dann habe ich Zeit, mich zu langweilen. Meine Kreativität entsteht aus dem Tun, zu viel Überlegen ist da eher hinderlich. Nach zwei oder drei Monaten konzentrierten Sägens muss ich mich umstellen und den für die Kunst notwendigen meditativen Zustand zuerst wieder suchen und finden.»
«Eine Idee arbeitet sich durchs Holz und gewinnt Form.» (Bilder: Andrea Badrutt)
Wenn er etwas Figürliches erschaffen will, hat er meist eine Vorstellung vom gewünschten Resultat. Dies können kleine und grössere Skulpturen sein, meist Köpfe oder Menschen aus Fichtenholz, alle mit der Motorsäge herausgearbeitet. Gewisse Arbeiten mit Formen jedoch gibt ein Baum ihm auch vor. Und manchmal ist es auch nur ein ganz spezieller Punkt im Holz, der ihn fasziniert. Und dann macht er daraus etwas. «Eine Idee arbeitet sich durchs Holz und gewinnt Form.» Diesen und andere Gedanken führt der Holzbildhauer auf seiner Website auf. Zurzeit bereitet Luzi Scherrer eine Ausstellung vor. Seine Werke werden zusammen mit Arbeiten des befreundeten Holzbildhauers Gubert Georg Luck im Herbst 2024 in zwei Galerie-Räumen über seiner Werkstätte in Trimmis zu sehen und zu kaufen sein. www.luzischerrer.ch