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Im Wald zu Gast – positive Erlebnisse ermöglichen und Konflikte reduzieren

Der Wald ist ein faszinierender und wichtiger Lebensraum für verschiedenste Pflanzen und Tierarten, in welchem zunehmend auch Freizeitaktivitäten ausgeführt werden. Mit einem respektvollen Verhalten und der Einhaltung von einfachen Grundregeln lassen sich bleibende Erlebnisse mit wenigen Beeinträchtigungen des Lebensraums vereinbaren. Reto Rupf, Adrian Hochreutener, Martin Wyttenbach

Vielfältige Erholungsnutzung im Wald
Für die Bevölkerung ist der Wald ein wichtiger Lebensraum und der Aufenthalt im Wald ist für viele Menschen alltäglich geworden. Deshalb möchte die Bevölkerung den Wald in seiner Fläche und Qualität schützen. Gemäss der dritten Bevölkerungsumfrage zum Wald (WaMos 3, BAFU 2022) verweilen die Leute heute kürzer im Wald als vor zehn Jahren, hingegen besuchen sie ihn häufiger. Der Anteil der Menschen, die nie in den Wald gehen, ist auf einem Tiefststand. Der Wald trägt wesentlich zum Wohlbefinden und zur Gesundheit der Bevölkerung bei, da die Mehrheit der Besuchenden sich nach einem Waldbesuch entspannter fühlt als noch zuvor. Dazu besuchen die Menschen den Wald hauptsächlich zum Spazieren, Wandern, Natur beobachten und Ruhe geniessen. Jugendliche nutzen den Wald häufiger für Feste und Sport als Erwachsene. Die Mehrheit der Befragten ist mit der Erholungsinfrastruktur im Wald zufrieden, jedoch gibt es gemischte Meinungen zur Qualität der Anlagen. Die Zufriedenheit mit der Erholung im Wald ist im Vergleich zu 2010 leicht gesunken, was auf vermehrte Störungen wie Abfall und Vandalismus zurückgeführt wird.
Die Besuchsmuster variieren je nach Standort des Waldes stark. So ist in Stadtwäldern der Anteil der täglich Besuchenden höher als in periurbanen Gebieten. Ebenfalls differiert die Aufenthaltsdauer stark, generell kann gesagt werden, dass je näher ein Waldgebiet bei einem Zentrum liegt, desto häufiger, aber auch kürzer sind die Aufenthalte in den Wäldern. In touristischen Regionen verbringt fast die Hälfte der Besuchenden während ihres Ferienaufenthalts mindestens ein bis zwei Stunden im Wald.
Im Wald werden verschiedenste Freizeitaktivitäten ausgeführt. Die Stärke der Auswirkungen auf ­Tiere und Pflanzen hängt auch davon ab, wie die Freizeitaktivitäten in räumlicher und zeitlicher Hinsicht ausgeübt werden. Grundsätzlich wird zwischen punktueller (z. B. Rastplätze, Feuerstel­len etc.), linearer (z. B. Wandern, Mountainbiken, Schlitteln) sowie flächiger (z. B. Orientierungslauf, diverse Sammelaktivitäten, Schneeschuhlaufen) Freizeitnutzung unterschieden. Neben der Intensität der Freizeitaktivität (z. B. hohe Frequenzen auf Wanderwegen an schönen Wochenenden) spielt auch deren zeitliche Ausübung eine entscheidende Rolle. Anders als in den Medien oftmals wiedergegeben, hält sich in der Schweiz die Nutzung durch Erholungsuchende von Wäldern in der Dämmerung und der Nacht gemäss einer Studie der Forschungsgruppe Umweltplanung/ZHAW allerdings in Grenzen. So verbleiben Dämmerung und Nacht mit wenigen Ausnahmen als ruhige Zeiträume für Wildtiere erhalten.


Biken im Wald.(Bild: Chur Bergbahnen, Claudio Godenzi)

In der regelmässig durchgeführten Studie «Sport Schweiz» (Lamprecht et al. 2020) nahm die Anzahl der Sporttreibenden in der Natur und Landschaft, und somit auch in den Wäldern, in den letzten 20 Jahren deutlich zu. Wandern (56,9 %), Radfahren (42,0 %, ohne MTB), Schwimmen (38,6 %), Skifahren (34,9 %, ohne Touren) und Jogging (27,0 %) werden deutlich am häufigsten ausgeübt, auch sonstige Sportarten wie Mountainbiking (7,9 %) und Ski-/Snowboardtouren mit Schneeschuhlaufen (6,5 %) sind auch populär. Insbesondere wenn man bedenkt, dass 1 % der Schweizer Bevölkerung etwa 70 000 Menschen zwischen 15 und 85 Jahren entspricht. Mit Ausnahme des Skifahrens verzeichneten all diese erwähnten Sportarten grosse Zuwachsraten seit der letzten Durchführung 2014.

Störungen durch Waldbesuche
Prinzipiell werden Waldbesuche von Wildtieren wahrgenommen (teilweise gar von Pflanzen), auch wenn Besuchende dies kaum oder gar nicht bemerken. Doch haben die Besuche je nach Aktivität, Beschaffenheit des Lebensraums, aber auch nach Jahres- und Tageszeit unterschiedlich starke Auswirkungen auf den Wald mit seinen Wildtieren und Pflanzen. Diese betreffen u. a. den Boden (Bodenverdichtung, gestörte Bodenfauna), die Vegetation (Vegetationsverlust, Beschädigung von Pflanzen, Verschwinden von Arten), die Fauna (Vertreibung von Wildtieren, Schwächung der Fitness, Verringerung des Reproduktionserfolgs, Stressreaktionen oder gar genetische Veränderungen) oder auch die Landschaft (neue Infrastrukturen, Ausweitung von Wegen) (Rupf 2016).
Graf et al. (2018) zeigten mittels Verhaltensexperimenten auf, dass nächtliche Freizeitaktivitäten grössere Auswirkungen auf Wildtiere haben als solche tagsüber, und Aktivitäten abseits von In­frastrukturen wie Wegen stärkere Reaktionen bei Wildtieren hervorrufen. So können also generell alle Aktivitäten auf befestigten Wegen, Pisten, Loipen sowie die Verweilaktivitäten bei Infrastrukturen als unproblematisch für den Wald angesehen werden. Problematisch hingegen sind Aktivitäten mit mechanischer Auswirkung auf den Waldboden und die Vegetation (v. a. Jungwald). Auf besonders sensible Waldtypen ist ein spezielles Augenmerk zu richten und allenfalls spezielle Regelungen zu prüfen, u. a. für Auenwälder, trockene vegetationsarme Wälder, Blockschuttwälder, beerenreiche Wälder oder obere Waldgrenzen.


Abb. 1: Mountainbike-Nutzung am Höhronen SZ: Die Anlage von offiziellen Trails brachte eine erhebliche Reduktion von Fahrten auf illegalen Trails (Ängiboden, P1035) durch Rauhfusshuhn-Habitate.

Lösungsansätze zur Reduktion von Störungen
In der Schweiz gilt grundsätzlich das freie Betretungsrecht von Wald und Weide (Art. 699 ZGB). Gleichzeitig sind die Kantone verpflichtet, Wildtiere vor Störungen ausreichend zu schützen (Art. 7 JSG). In den letzten Jahren wurden dazu in Berggebieten Wildruhezonen eingerichtet, um besonders störungsanfällige Arten zu schützen und ihre Lebensräume im Winter zu beruhigen. Im Mittelland wurde der Handlungsbedarf bisher als geringer eingestuft, da die Winterbedingungen hier weniger hart sind. Dennoch sind Wildtiere im Mittelland vielen Störungen ausgesetzt, was deren Verhalten ändern und Auswirkungen auf ganze Populationen haben kann.
Wie Graf et al. (2018) darstellen, ist eine vorgängige Nutzungsanalyse notwendig, um Konflikte zwischen Freizeitaktivitäten und den Lebensraumanforderungen der Wildtiere in den Wäldern zu klären. Diese Analyse soll aufzeigen, welche Freizeitaktivitäten wo, wann und in welcher Intensität stattfinden und welche Gebiete besonders wichtige Lebensräume für Wildtiere darstellen. Basierend auf diesen Informationen können Vorranggebiete für Freizeitaktivitäten und solche für Wildtiere in Wäldern festgelegt werden.

 


Abb. 2: Ski- und Schneeschuhtouren im Gebiet der Wildruhezone Wanna im Safiental 20. März 2024 (Rasterzellengrösse 2 m, Radius 20 m; braun: hohe Spurendichte, gelb: niedrige Spurendichte): Nach den Kommunikationsmassnahmen wurden nur noch wenige Übertretungen in Randbereichen der Wildruhezone festgestellt.

Folgende Massnahmen sollen dazu beitragen, die Balance zwischen menschlichen Freizeitaktivitäten und dem Schutz der Wildtiere in Wäldern zu wahren: Bedürfnisgerechte Infrastruktur, Konzentration menschlicher Aktivitäten in für Wildtiere ungüns­tigen Lebensräumen, kleinere Wegnetzdichte und störungsarme Räume, positive Besucherlenkung u. a. mit Orientierungshilfen, natürlichen Hindernissen, Bewusstseinsbildung mit Sensibilisierungsmassnahmen und Kommunikation sowie als letzte Massnahme Verbote mit kurzer Begründung. (Deren rechtliche Umsetzung und Durchsetzung sind im Vorfeld zu prüfen.)

Umsetzungsbeispiele
Mountainbiking am Höhronen SZ
Am Höhronen im Kanton Schwyz wurde in einem partizipativen Verfahren, zusammen mit den lokalen Bikerinnen und Bikern, dem Forst, der Wildhut und Vertretenden von Naturschutzorganisationen, nach einer Lösung gesucht, wie das Mountain­biken kanalisiert und in unkritischen Räumen erfolgen kann. Dazu wurden Korridore ausgeschieden, in welchen die Bikenden gemeinsam mit dem Forst ihre Trails ausgestalten konnten. Die gefundene Lösung und deren Wirkung wurde von der Forschungsgruppe Umweltplanung über drei Jahre untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass die offiziellen Trails kanalisierend wirken und damit die Störwirkung der Mountainbikeaktivitäten reduziert werden kann (Abb. 1). Innerhalb der Korridore dürfen die Trails zudem im Rahmen des Unterhalts angepasst werden, was zur Abwechslung und Zufriedenheit der Nutzenden beiträgt.

Ski- und Schneeschuhtouren im hinteren Safiental
Im Naturpark Beverin wurden Skitouren im hinteren Safiental immer beliebter und es wurden Anfang der Coronapandemie vermehrt Betretungen einer rechtskräftigen Wildruhezone gemeldet. Die Wildhut reagierte mit mehr Präsenz, aber vor allem auch mit einer besseren Markierung der Zone (Abb. 3). Die Wirkung dieser Massnahmen wurde mittels Drohnenbefliegungen untersucht. Dazu wurden während zweier Winter vom Skitourengebiet rund um die Wildruhezonen nach einem schönen Wochenende mit vorhergehendem Schneefall und viel Tourenaktivität hochauflösende Drohnenaufnahmen der Schneeoberfläche mittels einer Tragflächendrohne aufgenommen. Diese Bilder wurden anschliessend in einem Geoinformationssystem zu­sammengesetzt und mittels Algorithmus betreffend der Anzahl Freizeitnutzungsspuren (Ski- und Schneeschuhtouren) auf der Schneeoberfläche ausgewertet. Die so entstandenen Heatmaps zeigen, in welchen Räumen die Skitourenaktivitäten stattfanden und somit wo und in welchem Ausmass Wildruhezonen übertreten wurden (Abb. 2). Diese Karten wurden mit der Wildhut besprochen, Anpassungen der Massnahmen erfolgten in der folgenden Wintersaison. Eine neuerliche Befliegung zeigte die gute Wirkung der Massnahmen auf.


Abb. 3: Markierungen von Wildruhezonen im Bereich von Skitourenrouten im Gebiet Wanna/Safiental. (Foto: ZHAW)

Fazit
Wälder erfüllen je nach Standort verschiedene Funktionen zur Ausübung von Freizeitaktivitäten. Zum einen sind sie das Ziel respektive der eigentliche Ort der Aktivitäten, und zum anderen sind sie eine Art Durchgangsort zu den Gebieten der eigentlichen Ausübung der Outdooraktivitäten. Grundsätzlich ist die Situation in der Schweiz in weiten Teilen der Wälder nicht so gravierend wie sie teilweise dargestellt wird – am stärksten werden die Wälder im Mittelland, in der Nähe von Agglomerationen und tagsüber genutzt, die Wälder in den Alpen mit Ausnahme der Tourismusregionen recht selten. Der Schutz des Waldes ist der schweizerischen Bevölkerung aber sehr wichtig.
Je nach Gegebenheiten sind die Anforderungen und Ansätze zur rechtlichen Regelung unterschiedlich. Trotz der nicht alarmierenden Situation sollten wir den Wäldern als Hauptlebensraum für viele Pflanzen und Tiere sehr Sorge tragen und uns wie Gäste in den Wäldern verhalten, welche möglichst keine Spuren hinterlassen. So könnten wir mit den existierenden rechtlichen Instrumenten auskommen und an kritischen Stellen die erforderlichen Regelungen erlassen und kommunizieren.

Prof. Dr. Reto Rupf forscht und lehrt seit 20 Jahren zum Thema «Freizeit und Umwelt» am Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW.

Adrian Hochreutener forscht als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Besuchermonitoring und -management in der Forschungsgruppe Umweltplanung ZHAW.

Martin Wyttenbach leitet die Forschungsgruppe Umweltplanung an der ZHAW und beschäftigt sich intensiv mit den Themen Besuchermanagement und -monitoring.

 

Literatur
BAFU (Hrsg.) 2022. Der Wald aus Sicht der Schweizer Bevölkerung. Ergebnisse der dritten Bevölke­rungsumfrage Waldmonitoring soziokulturell (Wa­Mos 3). Bundesamt für Umwelt, Bern. Umwelt-Wissen Nr. 2212: 60 S.
Graf R F, Signer C, Reifler-Bächtiger M, Wyttenbach M, Sigrist B, Rupf R 2018. Wildtier und Mensch im Nah­erholungsraum. Swiss Academies Factsheets 13 (2).
Lamprecht M, Bürgi R, Stamm H 2020. Sport Schweiz 2020: Sportaktivität und Sportinteresse der Schweizer Bevölkerung. Magglingen: Bundesamt für Sport BASPO.
Rupf R 2016. Planungsansätze im Outdoorsport – Wandern und Mountainbiking. Swiss Academies Factsheets 11 (6).